Schulisch gedacht
Ein Jahr beuge ich mich nun also diesem System, das sich Schule nennt. Nein, ich bin nicht wieder Schülerin, sondern darf mich auf der anderen Seite probieren. Es ist unglaublich, wie man in diesem umgedreht, von allen Seiten beleuchtet, durchleuchtet und hinterfragt wird. Ich habe ohnehin schon immer jegliche meiner Eintscheidungen reflektiert, aber hier wird man geradezu dazu gezwungen, in jeder Sekunde das Selbst zu reflektieren. Weiß man danach noch, wer man ist? So oft wie dieses Jahr war ich noch nie am Zweifeln und fast Verzweifeln. Ich hatte immer gedacht, dass ich mich so akzeptiere, wie ich nun eben bin, aber wenn man ein Jahr lang gesagt bekommt, dass man schlecht ist, dass man um ein µ zu wenig gegeben hat oder den Erwartungen entsprochen hat. Und dann, kurz vor den wichtigen Prüfungen wird einem gesagt, dass man doch das ganze Jahr über in der Oberliga gespielt hat. Also entschuldigt bitte mal, aber wie soll man das noch glauben? Mediziner studieren ihr Fach, dürfen nebenher noch ihre Doktorarbeit schreiben, haben einige Praktika und dann als Assistenzärzte relative Freiheit, werden in ihrem ersten Jahr teilweise schon alleine gelassen. Ist man als Referendar an einer Schule, muss man ein halbes Jahr lang um Unterrichtsstunden bei Kollegen betteln, denn sie müssen a) ihren Unterricht mit abgeben, b) mit in dem von die gehaltenen Unterricht sitzen und entscheiden dann darüber, ob man des Unterrichtens fähig ist und ein komplettes Schuljahr auf Schüler losgelassen werden kann. Ich frage mich ernsthaft, was schlimmer ist: Schülern etwas unter Umständen falsch beibringen, oder jemanden falsch medizinisch behandeln? Da kennt ihr aber meine Antwort…
So. Genug gejammert. Noch einige Prüfungen, dann darf ich mich hoffentlich über das Zweite Staatsexamen freuen. Und meine ersten Klassen verabschieden.